Mittwoch, 9. Juli 2014

Brief aus Slawjansk

Der folgende Text ist die Übersetzung eines Briefes von Elena aus dem Donbass in der Ukraine. Sie stammt aus Torez und ist pensionierte Lehrerin. Elenas Tochter wohnte mit Ihrer Familie bis vor kurzem in Slawjansk. Mittlerweile sind sie auf die Krim geflüchtet.


Hallo Yulitschka,

deine Nachricht hat mich unglaublich beeindruckt! An deine Mutter erinnere ich mich immer noch unter dem Namen Arabadshi (das ist ihr Mädchenname), und nicht unter dem Namen Satirova.

Meine älteste Tochter Mirinka lebt mit ihrem Sohn im leidgeprüften, aber noch nicht besiegten Slawiansk. Ich bin so dankbar für die von euch angebotene Hilfe, dass ich keine Worte finde. Ich habe es geschafft meinen Enkelsohn Schenja in einer ruhigen Stunde zwischen den Schießereien aus der Stadt raus zu bekommen. Das war kurz vor der Absperrung der Eisenbahnstation durch unsere heldenhaften Bandera – Anhänger (damit ist die ukrainische Armee bzw. ihr nahestehende Milizen gemeint). Meine Tochter hat sich geweigert zu glauben, dass sie das Sanatorium, wo sie arbeitet, beschießen werden, und ist geblieben. Heilige Unschuld! Als das Sanatorium, der Kindergarten, sowie die gerade erst von den Eltern renovierte Schule, die mein Enkelsohn besucht hat, durch einen Bombenangriff zerstört wurden, habe ich gelernt in Freude zu leben. Ich habe mich darüber gefreut, dass wir am Hof einen Keller haben, in dem sich unsere Tochter mit den Nachbaren in Sicherheit bringen konnte. Ich war sehr froh, dass wir am Hof einen Brunnen haben, als sie den Wasserturm bombardiert haben. Aber wirklich glücklich war ich, als meine Marinka es geschafft hat, Slawiansk gemeinsam mit anderen Leuten zu verlassen und auf die Krim gegangen ist. Ihre persönlichen Sachen hat sie fast alle zurück gelassen, nur Ihre Dokumente hat sie mitgenommen. Gott sei Dank ist sie am Leben und gesund. Ich bin darüber sehr glücklich.

Zwischen unserer Stadt Slawjansk und Sneshnoje gibt es immer noch andauernd Kämpfe, und gestern gab es viele Tote, auf beiden Seiten. Die Banditen haben versprochen uns weiter zu bombardieren.

Valya, das einzige, was du für uns machen kannst, ist für unsere Gesundheit und unsere Sicherheit zu beten. Zina und Sergey Sewastjanows haben mich wieder gefunden. Valya, erinnerst du dich an die beiden? Wir haben am selben Institut studiert. Zina hatte damals wunderschöne Haare. Ich freue mich so, dass Galja Tschnijtschuk sich an mich erinnert. Sogar meine Schulfreundin, die vor 40 Jahren nach Weißrussland gezogen ist, hat mich gestern angerufen und mich mit meinem Mann und den Kindern zu ihnen nach Minsk eingeladen. Sie wollte früher zur „Stadt ihrer Jugendzeit“ kommen, für das 40-jährige Schuljubiläum. Jetzt sagt sie: „Ich schaue fern und weine. Was ist los in meinem Land? Man kann es nicht glauben. Wie werdet ihr den Krieg überleben?“

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